Das deutsche Buch. Zehn Dichter unserer Zeit.


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Das deutsche Buch. Zehn Dichter unserer Zeit.


Biographien, Novellen und andere Werke.

Editorial „LIBRERIA GOETHE“
Corrientes 366 – Buenos Aires
Die biographischen Angaben wurden zusammengestellt von Dr. J. J. Dinkeldein.
Impresores: FOERSTER & CIA. - Buenos Aires, Noviembre 1943
352 S.



Irgendwie und irgendwann fand dieses Buch den weiten über den Atlantik in den Bücherschrank meiner Großeltern. Ein schwarzer Kunstledereinband mit Titel und Eichenlaub, einst in Gold gehalten, verziert.

Bis auf Lersch und Möller kann man alle Autoren noch im alten „Kindlers Literatur Lexikon im dtv“ aus dem Jahre 1973 finden. Nach dem sogenannten Arbeiterdichter Lersch ist eine Straße in Berlin benannt. Es scheint also keine ganz dumme Auswahl gewesen zu sein, mit der die Literatur des „neuen Deutschland“ den Deutschen in der südamerikanischen Diaspora nahegebracht werden sollte. Lesenswert dürfte heute wohl nur noch Löns sein, wenn ich persönlich Binding, Carossa und Vegesack (und genau in dieser Reihenfolge) immer noch schätze.

Für jeden Schriftsteller gibt es eine Schwarzweißphotographie mit Unterschrift, eine kleine Biographie und eine Textauswahl. Interessant sind diese Biographien. Man könnte daraus einen Katalog ableiten, was aus Nazi-Sicht gute, deutsche Literatur ist. Was man durchaus noch oft finden kann, sind Titel von ausgewiesenen NS-Autoren oder Titel, die bei den Nazis im 3. Reich entsprechend beliebt waren. Und da gab es eine ganze Menge mehr als „Mein Kampf“ oder „Der Mythos des 20. Jahrhunderts“. Was man in Quellensammlungen noch finden kann, sind Texte, wie die Nazis ihnen nicht genehme Literatur heruntergemacht haben („Zersetzung des deutschen Kulturlebens“). Aber es ist gar nicht einmal so einfach, ein paar Ausgaben der SS-Zeitschrift „Das Innere Reich“ zu bekommen, will sagen, es ist gar nicht so einfach (zumindest für den normalen Menschen), an positive NS-Literaturkritik heranzukommen.





Zumindest weiß ich jetzt, wo die Nazi-Parole „Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen.“, die ein gerade wegen dieses Satzes sowohl berühmtes als auch berüchtigtes Gefallenenehrenmal in Hamburg ziert. Ich habe es immer für eine von diesen unsäglichen Durchhalteparolen gehalten. Nun weiß ich, daß es von Heinrich Lersch stammt aus dem Gedicht „Soldatenabschied“:

„Lass mich gehen, Mutter, lass mich gehen!
All das Weinen kann uns nichts mehr nützen.
Denn wir gehen, das Vaterland zu schützen!
Lass mich gehen, Mutter, lass mich gehen!
Deinen letzten Gruss will ich vom Mund dir küssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!“
(S. 264)

Das geht dann noch vier Strophen so weiter und paßt ganz gut in den August '14. Im Januar '43 klingt es dann wie Hohn.



Von Eberhard Wolfgang Möller stammt die unsägliche Novelle „Die Rebellion des Regiments Santa Maria del Rey“ (S. 299-307), in dem geschildert wird, wie nach Abschluß der napoleonischen Kriege ein Regiment, das sich im Kampf ausgezeichnet hatte, meutert und dann – zu Recht – bis auf den letzten Mann massakriert wird. Ist es das, was im November 1918 mit den aufständischen Matrosen und Soldaten hätte geschehen sollen???



In der Geschichte „Der Weihnachtskater“ von Siegfried von Vegesack (S. 344-348) findet sich folgendes Rezept zur schmackhaften Zubereitung von Katzen aus dem Tessin:

„'Den Kater? Der Pfarrer isst Katzen?' stammelte ich entsetzt.

Die alte Giuseppina bekam ganz leuchtende Augen:

'Oh, der wird gut schmecken', versicherte sie und betastete das dicke Tier mit ihren dürren Fingern: 'man muss ihn nur richtig zubereiten: zuerst lässt man ihn eine Woche im Keller hängen, damit der Katzengeruch weggeht, dann wird er zerschnitten und mit Lorbeer, Pfeffer und Nelken vierundzwanzig Stunden in Nostrano geweicht und im selben Rotwein gekocht. Oder man spickt den Kater mit Knoblauch und schmort ihn dann mit vielen Kräutern und Zwiebeln.'“
(p. 346)



Frank Schuffert, im Januar 2002