Soyka: Fünf Gramm Liebeszauber. Kriminalroman.


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Soyka, Otto: Fünf Gramm Liebeszauber. Kriminalroman. Arthur Cassirer Verlag, Berlin o.J. 238 S. (Copyright 1931 by Glöckner-Verlag/ Wien).
Otto Soyka, Gesammelte Romane. 2. Band der Kriminalroman-Reihe.
Umschlagbild: Foto Mondial
Umschlagentwurf: Alexander Fell.


Wie dieses Buch den Weg aus der Leihbücherei Ehrhardt (wo es ausgesondert worden war) auf den Dachboden meiner Großeltern in der Südlichen Hauptstraße 12 geschafft hat, vermag ich nicht zu sagen. Jetzt ist es jedenfalls in keinem guten Zustand mehr, die Seiten voller brauner Flecken, brüchig.

Auch das Andenken an diesen Autor scheint in keinem guten Zustand zu sein. Es gibt gerade immerhin einen Eintrag bei Wikipedia: Otto Soyka.

Ich fand diesen Kriminalroman nie besonders anregend, aber er ist zumindest besser als manches, was heute im Fernsehen läuft. Er beginnt so:

"Vor dem Park des Herrschaftshauses von Grönen hielt ein Auto. Es war ein kleiner schmaler Wagen, der dem Kenner auffallen mußte. 'Mit dem Ding gewinnt man Berg- und Straßenrennen', hatte Hektor Myller, der tonangebende Sportsmann des Residenzklubs, über diesen Wagen gesagt, als Manfred Solm zum erstenmal damit vorgefahren war. 'Allerdings nur, wenn man das Zeug dazu hat', war der bedeutungsvolle, etwas spöttisch betonte Zusatz gewesen. In der Tat, wer hätte es Herrn Solm zugetraut, die Strapazen eines Rennens auf sich zu nehmen? Er ließ prinzipiell seine Kleider aus London kommen (Everard sons, two sisters street), seine Wäsche aus Paris (Gontard Fréres, place de la concorde), seine Schuhe aus Philadelphia, und diesen Wagen hatte ihm eine amerikanische Firma nach eigenen Angaben angefertigt. Das Auto war außerordentlich leistungsfähig - das nebenbei - aber vor allem sah es schön und graziös aus! 'Das Auto eines eleganten Herrn', hätte unter seinem Bilde stehen können, wie man den Schuh oder die Krawatte des eleganten Herrn anpreist. Und sein Besitzer hatte Schick. Damit erschöpfte sich das Lob, das man im Klub Manfred Solm zu spenden wußte. Für die Leute dort war er der Dandy, der gute Kleider gut zu tragen wußte. Die Leute waren es nicht, denen er sein wahres Gesicht zeigte." (S. 11)

Natürlich ist Manfred Solm nicht der Stutzer, der er zu sein vorgibt, sondern ein sehr guter Detektiv, der einen ganz besonderen Auftrag hat, wie aus dem letzten Absatz des Romans hervorgeht.
Und so endet der Roman:

"Er wartete bis die Flammen ihr Werk getan hatten. 'Dieser Quelis ist ein Genie! Ob sich wohl sonst ein Mensch findet, der das Kauderwälsch des Mönchs in die Sprache von modernen Chemikern übersetzen kann? Ich denke, nicht. Vielleicht, wenn ich mir sehr viel Mühe geben wollte! - Der Spuk ist dort, wohin er gehört. Finden Sie nicht auch, daß es stimmungsvoll ist, wie so ein altes Pergament verglimmt? Selbst im Gaskamin! Selbst bei Tageslicht! Schon als Kind liebte ich nichts mehr, als dabei zuzuschauen. Schön ist es -.'
Sekundenlang noch sah er ins Feuer, dann ordnete er an: 'Melden Sie Ihren Auftraggebern, daß ich die Welt, in der sie Ministerfauteuils innehaben, wieder in Ordnung gebracht habe!'" (S. 238)

Zwischen Seite 11 und Seite 238 muß Manfred Solm einen Mord aufklären, aber das ist - fast - reine Nebensache, denn er muß die Welt retten. Der Ermordete, ein Baron Toldt, war ein Förderer von nicht anerkannten Wissenschaften (incl. Okkultismus) und Mitglied einer Vereinigung, die uraltes Wissen wie den "Stein der Weisen" mit den Mitteln der modernen Naturwissenschaft wieder aufleben lassen wollte - INAW, das "Institut für nicht anerkannte Wissenschaften". Zu dieser Vereinigung gehört auch ein "Mister Leo Slord aus Birmingham" (S. 125).
Solm über das Inaw: "'Das Inaw, wie Sie und Baron Toldt es ins Leben gerufen haben, darf nicht sein. Es hat indieser modernen Gegenwart keine Daseinsberechtigung. Es ist der Feind des Heute, und ich bin ein Mensch dieser Gegenwart, gerade der, dem es zufiel, den Kampf gegen das Inaw zu führen.'" (S. 128f.)
Slord über das Inaw: "'Große und wichtige Wahrheiten, Weisheiten der Vergangenheit sind unserer Zeit verloren gegangen. Diesen Wahrheiten gehörte unser Leben. Wir wollten sammeln, prüfen und Vergessenes zu neuem Leben erwecken. Eigensüchtige Absichten verfolgten wir nicht.'" (S. 129)

Eines der Geheimnisse der Vergangenheit ist der "Herzezwing" (S. 134 erstmals erwähnt): "'Der Mönch Cölestin in Freiburg, selbst Chemiker von Rang, hat eine Menschenalter am Herzezwing gearbeitet. Er lebte von 1030 bis 1105 ... Was ich eine chemische Angelegenheit nenne, ist ein dunkler Aberglaube des Mittelalters, Sympathiemittel, Liebeszauber und dergleichen.'" (S. 134)

Das genau ist der Punkt, den ich an diesem Roman schätze. Die Mordgeschichte ist wirklich nur nebensächlich, aber die Geschichte vom Herzezwing hat Soyka hier klug verwoben. Das Wissen der Alten wird hier gefährlich, weil es kein reiner Aberglaube ist, sondern mit wissenschaftlichen Methoden nachahmbar.
Das Rezept für den Herzezwing enthält folgendes: "'Krötenblut enthielt es und die getrocknete Leber eines jungen Hundes, der um zwölf Uhr am Kreuzweg in der Weihnacht geschlachtet wurde.'" (S. 164)
Der Chemieprofessor Quelis deutet das Rezpt u.a. so: "'Die Mitternachtsstunde des Weihnachtstages am Kreuzweg bedeuten: Die Temperatur. Normale Wintertemperatur im Freien, lese ich die Vorschrift. Verstanden? Und bei dieser Temperatur und im Zustand der Angst ist die Leber des Hundes blutleer, was richtig sein kann.'" (S. 165)

In gewisser Weise ist Solm, der einsame Kämpfer gegen das Inaw, das mit Mitteln wie dem Herzezwing ganze Gesellschaften zerstören könnte, ein Vorläufer von Fox Moulder und Akte X.
So sagt Solm: "'Die Entdeckungen Ihres Institutes sind für unsere Weltordnung vernichtend. Wenn die Formeln des Eusebius [der Stein der Weisen, der unedle Metalle in Gold verwandeln kann] richtig waren, was wäre die Folge gewesen? Eisen, Kohle, Gold, alles das hätte seinen Wert verloren. Die Weltindustrie wäre zusammengebrochen. Millionen von Menschen hätten ihr Brot verloren und wären zugrundegegangen. Mit einem Schlage hätte die normale Entwicklung aufgehört, ein Krieg aller gegen alle hätte kommen müssen. Das sah ich voraus. Und wiederum hier, die Weisheit des Herzezwing! In wessen Hände wollen Sie das furchtbare Instrument geben? Wer es besitzt, kann sich Menschen unterwerfen, die Gesellschaft zerstören.'" (S. 173)

Immerhin kann man diesen Krimi aufgrund des Internet antiquarisch erwerben.


Frank Schuffert, im Oktober 2003